[Ausgelesen] Lisbeth Jarosch: Tödliche Geheimnisse
Last Haven, Bd. 1
Inhalt:
Nordamerika im Jahr 2335. Vor mehr als 200 Jahren wurde hier der Staat Last Haven als internationales Projekt zur Lösung der Überbevölkerung der Erde gegründet. Als einziger Ort auf der Welt bietet er Sicherheit und Lebensqualität – zumindest denjenigen, die ihren Beitrag zur Gesellschaft leisten. Doch was passiert, wenn man dazu nicht mehr in der Lage ist? Wie schnell es dazu kommen kann, erfährt die 18-jährige Aida am eigenen Leib, als sie sich bei einem Arbeitsunfall verletzt. Auf einmal steht sie selbst auf dem Prüfstand und muss ihren Wert unter Beweis stellen. Zum Glück gibt es da jemanden, der ihr bei ihrem Kampf um einen Platz in der Gesellschaft eng zur Seite steht. Denn Last Haven ist gnadenlos gegenüber allen, die dem Land auf der Tasche liegen …
– Quelle: Piper Verlag –
Infos zum Buch:
Autor: | Lisbeth Jarosch |
Titel: | Tödliche Geheimnisse |
Originaltitel: | — |
Reihe: | Last Haven |
Band: | 1 |
VÖ: | 12. Januar ’18 |
ISBN: | 978-3492500098 |
Genre: | Dystopie |
Einschätzung von Kathi Rubel:
Dieses Buch ist der erste Band der dystopischen Last-Haven-Trilogie von Lisbeth Jarosch. Es zeichnet das Bild einer leistungsorientierten, kompromisslosen Zukunft in einer überbevölkerten Welt, die von Kriegen, Epidemien und Hungersnöten beinahe komplett zerstört ist. Das einzige Land, das noch Schutz und Sicherheit bietet, ist Last Haven. Das System, das auf Disziplin, Verzicht und Kontrolle baut, wurde in einem wissenschaftlichen Experiment erprobt. Es begann, noch ehe die Weltwirtschaft zusammenbrach und alles im Chaos versank, um für den Ernstfall gerüstet zu sein. Als sich die Lage dann zuspitzte, haben die Verantwortlichen beschlossen, aus dem Staatenbund der USA auszutreten und ihre Unabhängigkeit zu erklären. Seither sind etwa 200 Jahre vergangen.
Aida, die Ich-Erzählerin lebt in Last Haven. Ihr Platz ist in Ring C, dem Industriebezirk des Landes. Dort ist sie aufgewachsen und dort wird sie bis zu ihrem Ruhestand Tag für Tag arbeiten. Zumindest war das der Plan.
Die Geschichte startet an Aidas 18. Geburtstag, dem Tag ihrer zweiten Gesundheitsprüfung. Zu diesem Zeitpunkt ist noch alles normal, Aidas Leben verläuft wie geplant. Doch schon kurz darauf verletzt sie sich und nichts ist mehr, wie es vorher war.
Das Buch beginnt ein bisschen schleppend. Aida ist naiv und gutgläubig. Sie nimmt die Welt so wahr, wie es von der Regierung vorgesehen ist. Doch durch eine Entscheidung, die sie aus Trotz trifft, ändert sich das schlagartig. Sie sieht etwas, das nicht für ihre Augen bestimmt war, und wacht endlich auf. Danach ist nicht nur ihr Weltbild völlig verändert, sondern auch ihre Persönlichkeit. Diese Entwicklung fand ich etwas zu drastisch – nicht ihre Erkenntnisse und die damit einhergehende Ernüchterung, sondern die 180-Grad-Wendung ihres grundlegenden Wesens.
Dass aus dem schüchternen, zuvorkommenden, freundlichen Mädchen wie auf Knopfdruck eine draufgängerische, streitsüchtige und zynische Zicke wird, war für mich nicht nachvollziehbar. Auch ihr Umgang mit dem Mentalin passte für mich nicht so richtig ins Bild. Irgendwie kam das alles zu plötzlich. Die Unbeherrschtheit, die Aidas neue Haupteigenschaft ist, geht so gar nicht mit dem Mädchen vom Anfang konform. Einzig ihre Ängste und die immerwährende Grübelei bleiben von Aidas ursprünglicher Persönlichkeit erhalten.
Dass Aida eine Entwicklung in diese Richtung durchmacht, ist durchaus plausibel in Anbetracht der Umstände. Ich kann den Gedanken dahinter schon verstehen, aber die Umsetzung ist für mein Empfinden nicht gut genug geglückt. Das alles wäre viel realistischer, wenn es nicht so plötzlich passieren würde. Man muss einer Charakterentwicklung auch ein wenig Raum geben. Doch das scheint ein Grundproblem der Geschichte zu sein, denn auch andere Figuren haben mich irritiert.
Da wäre zum Beispiel Melody, die ein Wrack ist, sobald sie nicht vor der Kamera steht. Sie scheint wirklich eine außergewöhnlich gute Schauspielerin zu sein, wenn sie ihre seelische Verfassung so gut verbergen kann. Warum muss der Kontrast denn so groß sein? Für Titus gilt im Prinzip das Gleiche. Bei ihm geht es um die plötzliche Härte, die so gar nicht zu seinem verschmitzten Wesen passt. Scheinbar ist auch er ein guter Schauspieler …
Ivy steckt ebenfalls voller Widersprüche, doch die sind viel besser nachzuvollziehen. Der gute Doktor Henderson hingegen ist zwar ein wenig geheimnisvoll und distanziert, handelt jedoch nie widersprüchlich. Er ist mit seiner ruhigen, aber entschlossenen Art einer meiner Lieblingscharaktere. Seinen seelenvollen Blick, der Aida so gut durchschauen kann, konnte ich mir ohne Probleme vorstellen. Seine Müdigkeit war genauso spürbar wie seine Stärke. Ich habe Romulus Henderson sofort ins Herz geschlossen – genau wie Ivy. Bei allen anderen habe ich mich ein wenig schwergetan.
Die Geschichte an sich, das Weltbild und der Spannungsbogen haben mir sehr gut gefallen. Die menschlichen Abgründe wurden von der Autorin sehr überzeugend in Szene gesetzt. Der Schreibstil ist flüssig und mitreißend, bildlich und gerade emotional genug. Am Ende gibt es keinen Cliffhanger, sondern einen guten Abschluss für die erste Etappe des Weges. Das ist ein zusätzliches Plus, denn obwohl ich unbedingt wissen will, wie es weitergeht, brauchen die Charaktere und ich jetzt erst einmal eine kurze Verschnaufpause.
Fazit:
Dieser erste Band der Trilogie bietet ein wirklich gut gelungenes Dystopie-Szenario mit ausreichend Spannung und Raum zum Nachdenken. Bei den Charakteren besteht zwar noch Steigerungspotenzial, aber darüber hinaus kann ich die Reihe nur empfehlen!
Wertung:
Anmerkung:
Dieses Buch ist ebenfalls als Audiobook erschienen und auch wenn die Sprecherin Katja Sallay etwas gewöhnungsbedürftig ist, wäre die Hörversion eine gute Alternative zum Print bzw. eBook! Denn nach einer Anlaufphase konnte ich mich fallenlassen und der Geschichte ohne Probleme folgen. Wer sich diesen ersten Band der Trilogie also lieber vorlesen lassen möchte, kann gerne zum Hörbuch greifen – es ist im Großen und Ganzen wirklich gut gelungen.