[Ausgelesen] Lisbeth Jarosch: Die Liga der Mutigen

Last Haven, Bd. 2



Cover: Die Liga der Mutigen (Lisbeth Jarosch)

Inhalt:

»Willst du wissen, was ich dagegen mache?«, fragt Titus mich atemlos. »Gegen dieses Gefühl. Dass es besser gewesen wäre, ich wäre in dieser Nacht mit den anderen zusammen gestorben.« Stocksteif bleibe ich stehen. Fühle mich auf merkwürdige Art verstanden. »Was?«, krächze ich dann heiser. Ein eigenartiges Glitzern erscheint in Titus’ Augen. »Ich zeig es dir.« Er nimmt mich beim Arm. »Wohin gehen wir?«, frage ich mit mulmigem Gefühl. Aber gleichzeitig ist meine Neugier geweckt.

Aida hat erreicht, wofür sie gekämpft hat: Sie lebt, die Regierung ist gestürzt und die Menschlichkeit hat wieder eine Chance in Last Haven. Doch sie leidet, unter dem Erlebten und ihren eigenen Taten. Aida sehnt sich nach einer neuen Aufgabe, bei der sie anderen und sich selbst beweisen kann, dass nicht alles umsonst war – denn nicht allen kommt die Veränderung in Last Haven gelegen. Es gibt Widerstand gegen die junge Regierung. Aida und ihre Freunde müssen feststellen: Der Umbruch ist nicht beendet – sondern hat gerade erst begonnen.

– Quelle: Piper Verlag –

Infos zum Buch:

Autor:Lisbeth Jarosch
Titel:Die Liga der Mutigen
Originaltitel:
Reihe:Last Haven
Band:2
VÖ:2. Oktober ’18
ISBN:978-3492501712
Genre:Dystopie

Grafik: Schmetterling

Einschätzung von Kathi Rubel:

Nach den Geschehnissen aus Band 1 ist die Gefahr für die „minderwertigen“ Menschen in Last Haven leider noch immer nicht gebannt. Schnell müssen Aida und ihre Verbündeten erkennen, dass der Widerstand gegen die neuen Werte größer ist als erhofft. Die Proteste werden immer brutaler und der fragile Frieden, der nach dem Chaos der Silvesternacht herrschte, gerät mehr und mehr ins Wanken.

Aida kämpft gegen ihre eigenen Dämonen und sucht verzweifelt nach einer Aufgabe, die ihrem Leben einen Sinn verleiht. Es liegt noch so viel Arbeit vor der neuen Regierung und sie soll einfach wieder zur Tagesordnung übergehen, als wäre nichts geschehen? Nur gut, dass Chester Fields, der nach dem Putsch endlich wieder als Präsident tätig ist, ihre Hilfe benötigt. So kommt es, dass Aida plötzlich zu den Wächtern gehört und als vermutlich einzige Person in ganz Last Haven die Arbeit einer dritten Berufsgruppe erlernt.

Obwohl es sich erst um das zweite Buch der Reihe handelt, treffen wir hier auf Aida 3.0, die an den Herausforderungen wächst und sich zum Besseren verändert. Dank ihrer Zeit bei den Wächtern findet sie zu einer inneren Stärke, die ihr bisher fehlte. Ich habe mich sehr über diese Entwicklung gefreut, denn dadurch hat sich Aida endlich meinen Respekt verdient.

Auf Romulus war ich in diesem Band weniger gut zu sprechen als im letzten. Das liegt vor allem daran, dass er Aida nach dem Regierungssturz in Watte packt. Ich habe mich genauso sehr darüber geärgert wie Aida selbst – obwohl Romulus natürlich nur das Beste für sie will. Ich kann beide Seiten verstehen und das spricht für die Qualität der Geschichte. Die Autorin hat wirklich nochmal nachgelegt und hier bei den Charakteren alles richtig gemacht.

Apropos. Durch den Standortwechsel lernen wir natürlich wieder neue Mitglieder der Gesellschaft Last Havens kennen. Die Wächter sind ein elitärer Haufen mit einer eigenen Ideologie und völlig anders als die Bürger, die wir bisher kannten. Und wer dachte, dass die Leute im Verteidigungsministerium schon arrogant und wichtigtuerisch waren, wird hier noch eine Steigerung erleben. Doch wie zuvor im Ministerium gibt es auch im „Würfel“, dem Hauptquartier der Wächter, Ausnahmen von dieser Regel. Aida findet nach anfänglichen Schwierigkeiten Freunde, die sie bei ihrer Aufgabe unterstützen und ihr weiter die Augen öffnen.

Besonders angetan hatte es mir Aidas Ausbilder Fox. Seine schroffe, mürrische Art kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass er ein gutes Herz hat. Auch wenn er sich Mühe gibt es nicht zu zeigen, ist seine Zuneigung für Aida doch deutlich spürbar – obwohl dieses Mädchen immer nur Ärger macht, wie er gerne betont. Womit er ja nicht Unrecht hat.

Aidas Freunde und Verbündete aus Band 1 spielen ebenfalls eine wichtige Rolle, auch wenn sie nicht mehr so präsent sind wie zuvor. Schließlich müssen alle, die noch an eine Veränderung glauben, eng zusammenrücken, als es ungemütlich wird. Denn die Gegenspieler und Verfechter der alten Ordnung treten deutlich radikaler auf und zeigen sich noch grausamer als bisher. Wie schon im ersten Band wirken diese menschlichen Abgründe erschreckend real. Ich war schockiert von der Rationalität und Ungerührtheit, mit der diese Leute über Leben und Tod entscheiden. Ohne mit der Wimper zu zucken töten sie sogar Kinder. Und das Schlimmste daran ist, dass es vermutlich wirklich so laufen würde, wenn die Lebensumstände erst einmal so sind wie in diesem Buch.

Und das ist es, was mich zutiefst beeindruckt: Sowohl das Szenario als auch die Charaktere sind durchweg glaubwürdig. Kein einziger dieser vielen, vielen hier beschriebenen Menschen kommt zu kurz oder erscheint farblos. Von meinen Kritikpunkten zum ersten Band ist nichts mehr zu spüren. Die Charaktere sind authentischer denn je. Auch wenn ich nicht immer mit ihrem Verhalten einverstanden war, ist es doch stets nachvollziehbar und schlichtweg menschlich – oder unmenschlich, je nachdem.

Ich habe das Buch fast in einem Rutsch durchgelesen, lediglich unterbrochen von Schlaf- und Essenspausen. Es ist so spannend und mitreißend, dass ich einfach nicht aufhören konnte. Die „Gutmenschen“ rund um Aida müssen tüchtig einstecken, erleiden schwere Verluste. Viele Unschuldige verlieren ihr Leben und es müssen diverse unschöne Entscheidungen getroffen werden. Mein Puls ist mehr als einmal in die Höhe geschossen, so sehr war ich gefangen im Geschehen dieses Buches. Ich hatte das Gefühl, alles an Aidas Seite mitzuerleben und habe mit ihr gelitten.

Aber es gibt auch einige ruhige, gefühlvolle Momente, die mich ebenfalls bewegt haben. Die Beziehung zwischen Aida und Romulus zum Beispiel oder die Entstehung neuer Freundschaften. Die Erleichterung und das Glück, wenn nach drohender Gefahr oder einem Gewaltakt noch alle am Leben waren. Dann habe ich erleichtert aufgeatmet und mich mit Aida gefreut.

Es gibt Momente voller Hoffnung und Elan, aber auch tiefste Verzweiflung, Ausweglosigkeit und Resignation. Es gibt humorvolle Szenen, die mich zum Lachen gebracht haben, und bitterernste, die mich in eine gedrückte Stimmung versetzten. Kurzum: Ich war emotional involviert – und zwar voll und ganz.

Fazit:

Was für eine Fortsetzung! Ich bin begeistert, schockiert und noch immer beeindruckt von der Komplexität der Geschichte. Nur zu gut kann ich mir vorstellen, dass all das irgendwann tatsächlich passieren könnte – leider.

Wertung:
5 Punkte
5 Punkte

Anmerkung:
Obwohl der Verlag darauf hinweist, dass dieses Buch auch ohne Vorkenntnisse aus Band 1 gelesen werden kann, würde ich davon abraten. Denn „Die Liga der Mutigen“ baut auf dem Vorgänger „Tödliche Geheimnisse“ auf und zeigt erst in Kombination die volle Tragweite der Geschehnisse in Last Haven und der Gefühle von Aida.
Weiter geht es dann mit „Über alle Grenzen“, dem letzten Band der Last-Haven-Trilogie.

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